Freitag, 14. Januar 2011

Die Arbeit

Guten Tag meine Damen und Herren, dieser Blog freut sich Euch im neuen Jahr begrüßen zu dürfen. Ich hoffe Ihr seid alle gut gestartet und durftet mehr Feuerwerk als wir in Pokhara bewundern. Da Feuerwerkskörper hier verboten sind und bis zum Neujahr in Nepal noch gut 2 Monate ins Land gehen werden, mussten wir leider ein raketenlosen Start … beklagen wäre zu viel  immerhin dürfen wir ja zweimal feiern.
Vielfach wurde ich gebeten, doch bitte endlich mal etwas über meine Arbeit zu schreiben. Jetzt gibt es natürlich das winzige Problem, dass ich eigentlich ohne Genehmigung nichts veröffentlich darf, was dann mit meiner Entsendeorganisation oder dem Partner vor Ort in Verbindung gebracht werden kann. Verrückt, nicht? Es wäre zumindest nicht im Interesse der Organisation, wenn ein Freiwilliger mit seiner vorgeprägten und stark subjektiven Sicht- und Erlebnisweise – und die haben wir alle, dessen sollte man sich stets bewusst sein (und meinen Blog in diesem Sinne lesen natürlich) – etwas veröffentlich, das durch die Medien genutzt werden kann um die Organisation in Verruf zu bringen oder? Wie dem auch sei, die Organisation bei der ich meinen Freiwilligendienst leiste, beschäftigt sich mit Themen der Reproduktiven Medizin, HIV/Aids (und andere sexuell übertragbare Infektionen) versucht damit verbundene Vorurteile und Stigmata abzubauen und setzt sich für sexuelle Selbstbestimmung, gegen ungewollte Schwangerschaften ein und unterstützt marginalisierte und benachteiligte Gruppen. Es handelt sich um Nepals größte und älteste NGO wie mir berichtet wurde. Erst vor einigen Jahren feierte sie ihren 50 Geburtstag.
Leknath, Mohan und Som
Sobakanta in der Schule, Yam und Leknath waren auch mit dabei
Durch Zufall bedingt und den Schnupfen, mit dem ich mich gleich am ersten Tag hier in Tansen rumschlagen musste (wegen dem ich der Arbeit fernblieb, dafür aber ein lustiges Foto produzierte) fiel mein erster Arbeitstag mit dem diesjährigen Geburtstag zusammen, sodass ich gleich am ersten Tag wirklich alle „Mitarbeiter“ des Distriktes Palpa (welcher sich etwa eineinhalb Autostunden in Nord und Südrichtung und deutlich mehr Richtung Osten und Westen erstreckt – auch auf Grund des Zustands der weniger befahrenen Straßen), etwa 40-50 Personen, kennenlernte. Die Anführungszeichen setze ich, weil ich neben der regulären Besetzung der Hauptstelle auch Mitglieder des Komitees (ich finde den Begriff Ehrenamtliche immer ganz passend; mein Gastvater ist auch Mitglied des Komitees), des Youth-Sub-Committee‘s  und die Mitarbeiterinnen der Zweigstellen anwesend waren. Nach einem Vortrag über GBV (Gender Based Violenced) gab es damals eine Vorstellungsrunde, wie ich sie seitdem mehrmals bei Veranstaltungen erleben durfte: jeder steht einzeln auf und stellt sich der versammelten Gruppe vor. So auch ich und habe mich halb Nepali, halb Englisch vorgestellt.
Neben der Hauptstelle in der Distrikthauptstadt Tansen gibt es 18 weitere kleinere Zweigstellen, mit denen ich bisher nur wenig Kontakt hatte, die meines Wissens jedoch auf jeden Fall Beratung (zu Themen wie Familienplanung, Verhütung, Abtreibung, Schwangerschaftsberatung, Kindererziehung, -Hygiene und -Gesundheit, Infektionskrankheiten, wie HIV/Aids, Häuslicher Gewalt usw.) und Verhütungsmitteln anbieten und regelmäßig Veranstaltungen organisieren, zu denen wir dann vorbeischaun ;). Mit „wir“ meinte ich die administrative und Außenabteilung, die neben der Klinik mit Räumen für Untersuchungen, Vasektomie, Abtreibung, Beratung, wartende Patienten und dem Labor Platz in unserem kleinen, angemieteten Gebäude Platz finden.
Die Mitwirkenden des Streetdramas und
... die Zuschauer, größtenteils aus den umliegenden Schulen

Wie bereits erwähnt begleitete ich meinen Chef Mohan den Branchmanager, Leknath den Supervisor und Som den Accountant zu den, von den einzelnen Zweigstellen organisierten Treffen verschiedener Gruppen, zum Beispiel Mitarbeiter in öffentlichen Kliniken, Mütter oder Kontaktpersonen (die wiederum ihrer Gruppe von den Veranstaltungen berichten) wo dann Gespräche und Vorträge über Rechte in Reproduktiver Medizin, Safe Abortion, Genderbased Violence gehalten werden. Natürlich auf Nepali und nicht auf Englisch, was es mir äußerst schwierig macht selbst einen Teil des Vortrags übernehmen – so gut ist mein Nepali leider derzeit noch nicht. Ziel ist und bleibt es dennoch. Besonders freue ich mich jedoch, wenn es mal wieder heißt: School Health Projekt, denn das bedeutet nicht nur Blutgruppenbestimmung und Untersuchungen auf Parasiten, sondern für mich Kontakt mit – lasst mich nachdenken – mittlerweile 400 Schülern, mit denen ich ein paar Worte Nepali plaudern und dann ein paar Tropfen Blut für den Test abnehmen darf. Es ist auch jedes Mal interessant an welch gefühlt abgelegenen Orten riesige Schulen stehen. Grundsätzlich habe ich noch nie so viele Schulen und Universitäten auf einem Ort gesehen, wie in Kathmandu und Tansen steht dem im Verhältnis zu den Einwohnern in nichts nach. Wenn ich mich nicht irre, dann gibt es in Tansen mindestens 4 Universitäten, auch wenn eine davon (das Medical College) sich wie der Name verrät auf Medizin spezialisiert hat. Ich habe jedoch keinerlei Vorstellung von den Studentenzahlen. So zwei Projekte werde ich noch kurz anreißen. Für den Weltaidstag am ersten Dezember führten ich mit den jugendlichen Freiwilligen ein Street Drama im Rahmen einer größeren Veranstaltung in einem entfernteren VDC auf. Die Handlung war selbst geschrieben und die Proben doch äußerst spontan und zeugten von improvisatorischen Können. In der vorletzten Probe (am Morgen vor der Aufführung) wurde nochmal ein Rollentausch vorgenommen, die Generalprobe fand gut eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung statt. Ich – der ich mich an mein Stück niedergeschrieben Text klammerte, hoffte, dass bei meinem Teil der Aufführung textmäßig nicht zu viel improvisiert werden würde. Es lief alles super, alle Freiwilligen und die mitspielenden Kollegen übertrafen meine kühnsten Erwartungen und das Stück kam super beim Publikum an.
Die Aussicht von der Dachterasse des Büros
Das andere Projekt trägt den Namen Condombox und begann mit der vorsichtigen Frage meinerseits, warum es so etwas eigentlich im Kalender unserer Organisation, der bei mir hier im Zimmer hängt, gibt, nicht jedoch bei uns in Tansen. Mein Chef meinte daraufhin, das sei bereits ausprobiert worden, jedoch ohne Erfolg wieder eingestellt worden. Die Box hing damals innerhalb unseres Büros und wenn man es auf öffentlichen Plätzen, z.B. beim Buspark, aufhängen würde, so wären Missbrauch und Vandalismus nicht auszuschließen. Über den Abend dachte ich weiter darüber nach und als ich ihn am nächsten Morgen noch einmal darauf ansprechen und überzeugen wollte, erwiderte er, er habe es sich überlegt und wir würden es doch ausprobieren. Klasse. Mittlerweile hängen die Boxen – immer noch intakt am Buspark und außerhalb unseres Büros, wo sie nach Schließen der Klinik eine Versorgung mit Kondomen möglich machen. Als ich aus meinem Winterurlaub wieder nach Tansen heimkehrte wurde mir sogar ein Zeitungsartikel gezeigt, der von den Boxen berichtet und davon, dass es gewisse Probleme mit der Versorgung gibt, da in der ersten Woche jede Nacht pro Box gut Hundert Kondome entnommen wurden.
So, von Samstag an werde ich einen 10 tägigen Meditationskurs (Vipassana) in Lumbini besuchen. 10 Tage Meditation, schweigend – ich werde berichten.
Grüße, Lucas