Samstag, 11. Juni 2011

Verfassung und Streik

Gut 9 Monate lebe und arbeite ich jetzt in Nepal, schwer vorstellbar wohin die Zeit verflogen sein soll. Während sich die Zeit zu Beginn sich auf Grund der vielen, neuen Erfahrungen tief ins Gedächtnis einprägte, so ist mittlerweile vieles, das mir zu Beginn neu war, alltäglich geworden. Der unübersichtliche Verkehr, die fremde Sprache, das Essen, meine Gastfamilie und ihr familiäres Umfeld ebenso wie „kulturelle“ Normen, Hochzeiten und andere Festlichkeiten, Religion und Ritus.

Tansen mit "White Lake"
Bevor ich mich September letzten Jahres ins Flugzeug setzte, durchsuchte ich im Laufe meiner Vorbereitungen auch das Internet nach Blogs damaliger Freiwilliger und war verwundert, dass mehr als einer nach der Halbzeit jegliche neuen Einträge entbehrte. Mittlerweile kann ich mich ganz gut in diese Situation einfühlen. Selbst die seltsamsten Dinge, die man beobachtet, erscheinen nach gut 9 Monaten, wenn auch nicht normal so doch zumindest gewohnt, alltäglich und nachvollziehbar. Und da ist es völlig egal, ob es plastikfressende Straßenhunde oder eine Streikkultur ist, bei denen gelegentlich nicht einmal klar erscheint, wofür man eigentlich streikt. Abgesehen davon, dass ich an bestreikten Tagen, also an Tagen an denen (fast) alle Geschäfte und Läden geschlossen bleiben, trotzdem sämtliche Kollegen auf meiner Arbeitsstelle vortreffe, die, auch wenn kaum Patienten kommen werden - schließlich denkt jeder, alles sei geschlossen - nicht auf den Gedanken kommen, daheim zu bleiben. Schließlich ist es ein normaler Arbeitstag, bloß eben ohne Arbeit.

Aber eins nach dem anderen. Seit meinem letzten Bericht ist so einiges passiert. Wir hatten unser Zwischenseminar, ich habe gelernt, was es heißt krank zu sein, hatte eine wunderbare Zeit mit Janina und meinen Eltern, meine Gastschwester heiratete und meine Gasteltern reisten zum ersten Mal in ihrem Leben für zwei Wochen nach Indien, wo sie an einem religiösen Treffen teilnahmen. (Seitdem sind auch Knoblauch und Zwiebeln in unserer Küche Tabu.) Dazu gibt’s dann Fotos.

Aber zu Streik, Verfassung und den aktuellen Problemen meiner Organisation. Denn wie es nun mal so ist, kommt ein Übel bekanntlich selten allein. (Ich möchte gleich zu Beginn anmerken, dass ich Ereignisse meiner Organisation stets um eine Ecke, und stark subjektiv aus der Sicht der Mitarbeiter erlebe, da sich mein nicht unredliches Nepali sich leider nicht auf offizielle Briefe und Mitteilungen erstreckt und ich wenig Kontakt zur Führungsetage in der Hauptstadt habe.) Angefangen hat es irgendwann Mitte April, als meine Kollegen anfingen sich darüber zu unterhalten, was sie denn machen würden, wenn unsere Organisation nicht mehr wäre. Auch traten sie mit der Frage an mich, ob es nicht möglich wäre, sie mit nach Deutschland zu nehmen oder unsere Zweigstelle durch einen neuen deutschen Spender abzusichern.

Diese Fragen haben mich damals ziemlich überrumpelt und aus der Bahn geworfen. Wie kommt es, dass ein 35 jähriger Kollege mich bittet für unser Büro und unsere Klinik, also für gut 10 Menschen, das Geld bereit zu stellen oder einen Spender zu finden? Welche Erwartungen wurden in diesem Moment in mich gesetzt und welches Bild vom „reichen Westen“ wurde auf mich projiziert?
Aussichtsplattform auf dem Hausberg Shrinagar
Natürlich fragte ich nach, wie es denn dazu kommen würde, dass sie sich auf einmal Gedanken über ihre Jobs machen würden. Zu diesem Zeitpunkt hieß es nur, dass es ein paar Ungereimtheiten gäbe und unsere NGO (wohlgemerkt immer noch eine der größten Nepals) eventuelle bald nicht mehr bestehen würde. Nun war es, meines Wissen wie folgend. Gegen Anfang dieses Jahres regte unsere Spenderorganisation (eine international agierender Zusammenschluss im Bereich der Familienplanung) einige Änderungen in der Satzung meiner Partnerorganisation an (oder forderte diese) und kritisierte die Nichteinhaltung einiger anderer. Um welche Punkte es sich genau handelt, ist mir leider nicht klar, jedoch wurde zumindest ein Verbot der Rekrutierung jeglicher Familienmitglieder und die Begrenzung der Arbeit eines Ehrenamtlich auf 15 Jahre gefordert. Der Präsident des zentralen Komitees ebenso wie der des lokalen hier in Tansen haben diese Grenzen bereits überschritten. Eine Neuwahl dieser Gremien ist folglich nach Änderung der Satzung zusätzlich nötig. Die gesetzte Frist lief aus, ohne dass etwas geschah. Die Spenderorganisation genehmigte das Budget für 2011 nicht, außer den laufenden Kosten der Kliniken und Mitarbeiter gab es keine Gelder mehr für Projekte. Meine Kollegen und ich saßen also erst einmal Däumchen drehend da. Die Unsicherheit, was nun geschehen würde, war mit Händen zu spüren. Täglich wurde die Zeitung nach anderen Jobangeboten durchsucht, ich half dreien meiner Kollegen beim Anfertigen eines neuen Lebenslaufes. Es wurde eine Vollversammlung der Ehrenamtlichen abgehalten – ich hatte ziemlich viele Hoffnungen in sie gesetzt – ohne Ergebnisse. Keiner wusste, wie es weitergehen sollte. (Mein Chef musste von seinem Plan Zweigstellenleiter in Rupandehi zu werden, einem deutlich größeren Distrikt im Terrai, Abschied nehmen, da bis auf weiteres keinerlei personellen Änderungen vorgenommen werden. Meiner Meinung nach besonders bitter, da seine Frau und seine beiden Kinder bereits nach Butwal gezogen sind und die Wohnung aufgegeben wurde. So schläft mein Chef jetzt im Büro und isst im Restaurant.) Schließlich wurde das Zentrale Komitee um Rücktritt gebeten, Unterschriftenlisten wurden geschrieben, die Mitarbeiter der Hauptstelle streikten und zogen mit der Bitte um Hilfe zum Gesundheitsministerium, so die Erzählung. Ich bin mir nicht sicher, ob für eine Woche oder nur für einige Tage gestreikt wurde, wir für uns in Tansen streikten für einen Tag, was dann bedeutete, dass das Büro geschlossen war, die Klinik jedoch geöffnet. De Facto fällt es mir äußerst, schwer einen bestreikten Tag von einem normalen Arbeitstag zu unterscheiden. Denn seit es keine Programme mehr gibt, fällt in der „Administration“ nur wenig Arbeit an und die Klinik ist, zum Wohle der Patienten, immer geöffnet. Die freudige Nachricht, mit Hilfe des Ministeriums sei ein Aktionsplan erstellt worden, hielt nur kurz, denn keine Woche später wurden der Director General und die Finanzleitung entlassen. Von nun an rief der Betriebsrat zum Streik auf, einige andere Zweigstellen schlossen komplett von überall fuhren Vertreter nach Kathmandu, so auch 2 meiner Kollegen.


Es begab sich aber auch zu dieser Zeit, dass die Verfassung Nepals geschrieben worden sein sollte, um die Übergangsverfassung von 2008 abzulösen. Nun verhielt es sich so, dass sich die Parteien nicht einigen konnten und die Verfassung bei weitem nicht vollendet war. Einige sprachen von etwa 90% andere glaubten, nicht mehr als die Hälfte der Verfassung sei fertiggestellt. Und das, obwohl die in der Übergangsverfassung veranschlagte Zeit von 2 Jahren bereits Ende Mai 2010 auslief und nur eine Änderung der Verfassungsversammlung Aufschub bot. Schon damals hatte es wochenlange Generalstreiks und Krawalle gegeben, weshalb der Mai 2011 von Nepalis und besonders von meiner Partnerorganisation als kritisch bewertet und ambivalent erwartet wurde. Es wurde von unserer deutschen Organisation darauf hingewiesen sich mit Lebensmitteln einzudecken, große Menschenansammlungen zu meiden, das Telefon bereit und funktionsfähig zu halten und sich bei Reisen bitte mit der Zentrale abzustimmen. Nach derartiger Ankündigung erwarteten wir gespannt den Tag, an dem die Verfassung in Kraft treten sollte und nicht würde, soviel stand fest. Bereits die Woche zuvor begannen gelegentliche Bandhas, Streiks, bei denen keinerlei Fahrzeuge fuhren und die meisten Läden schlossen. Aber auch nicht alle. Gelegentlich wurden Streiks angekündigt, fanden aber nicht statt. An den Stammläden konnte man klopfen und schon wurde einem freundlichst geöffnet, die Kinder spielten auf der Straße und keine wütenden Meuten waren in Sicht. Tansen war ein Ort der Ruhe und des Friedens. Keine Hupe war zu hören, alle liefen, da keine Busse fuhren. Meine Kollegen waren dennoch alle im Büro, auch wenn es nichts zu arbeiten gab. Aber das passiert hier eben gelegentlich. Ich ließ lieber das Kind aus meinem Innersten und spielte Badminton auf der Straße und ging spazieren. In Kathmandu, dem Brennpunkt der Politik in Nepal, gab es allerdings Demonstrationen, Gewalt um die Streiks mit Nachdruck durchzusetzen und ein bisschen Krawall gab es am Verfassungstag auch (4 Autos fielen den wütenden Gruppen zu Opfer und brannten aus).

Und wie geht es weiter? Die drei größten Parteien haben sich auf einen Kompromiss geeinigt, nachdem die Zeit für die Verfassung erneut um 3 Monate verlängert wird und der Premierminister zurücktritt. Meiner bescheidenen und der Meinung meiner Umgebung nach wird sich in diesen kurzen 3 Monaten, die ich hier noch verweilen werde, kaum etwas ändern. Besonders wenn man sich erinnert, dass zur Wahl des aktuell/ehemaligen Premierministers bereits letztes mal 16 erfolglose Wahlgänge nötig waren, die mindestens ein halbes Jahr in Anspruch nahmen. Wo bleibt da die Zeit, sich überparteilich mit der Verfassung zu beschäftigen?

Und meine Organisation? Es gibt Grund zu kleinem Jubel – hoffentlich, das weiß ich hier meist erst nachher – Das Kabinett hat das Zentrale Komitee abgesetzt, mit einem Parlamentsbeschluss. Ich musste grinsen als ich davon hörte. Könnte was werden diesmal. Heute ist erneut eine Vollversammlung der Ehrenamtlichen, vielleicht ist die Zeit des Wartens ja vorbei?

Sonntag, 27. Februar 2011

Vipassana


Das Wort Vipassana stammt aus der Sprache Pali und wird meist mit Insight oder Einsicht im Sinne eines, von Illusionen befreienden, Sehens übersetzt. Im Buddhismus bezeichnet der Begriff, die Erkenntnis der drei Wesensmerkmale Unbeständigkeit („Alles, was entsteht, vergeht auch wieder“), Leidhaftigkeit („Alles ist unzulänglich/verursacht Leiden“) und Nichtexistenz des Ichs („Da auch der Körper ständiger Veränderung unterworfen und somit in keinem Moment identisch mit dem Vorhergehenden ist, wird ein sogenanntes, zeitüberdauerndes „Ich“ unmöglich).
Dezent erinnerten uns diverse Schilder ans Schweigen
Um diese, zur Erleuchtung führenden, Einsicht zu erlangen wird sich in der sogenannten Vipassana-Meditation oder Technik geübt, deren Grundlage eine vertiefte Körperbetrachtung darstellt. Wie bei den meisten Dingen, gibt es verschiedene Auslegungen, gemein ist ihnen jedoch, dass sie die Entwicklung einer vertieften Aufmerksamkeit, fokussiert auf die momentanen Körper-Geist-Prozesse, fördern und als essentiell ansehen. Bei dieser vertieften Achtsamkeit handelt es sich jedoch nicht um eine statische Konzentration, wie sie beispielsweise durch Vorstellung eines Objektes oder Rezitieren verschiedener Worte erreicht wird, eine solche Praxis würde im Gegenteil von einer Beobachtung der Körper-Geist Prozesse ablenken. Die verschiedenen Methoden begründen sich auf zwei Reden, die vom historischen Buddha Gautama Siddhartha überliefert sind, deuten und gewichten diese jedoch unterschiedlich. Aber auch wenn der theoretische Hintergrund aus dem Buddhismus stammt, so richtet sich die Vipassana Meditation als Technik an Menschen aller Religionen und Traditionen.
Soviel zur Theorie, wir (Cedi, Paula und ich) besuchten also einen Vipassana Kurs in der Tradition nach S.N. Goenka, einem aus Burma stammenden Geschäftsmann, dessen Meditation von einer erfahrenen Meditierenden, die ich letztlich traf, scherzhaft als Extremsport der Meditation bezeichnet wurde. Glücklicherweise fand diese Begegnung statt, nachdem ich den Kurs abgeschlossen hatte (ansonsten hätte mich diese Bemerkung vermutlich beunruhigt). Dieser Spitznamen hängt zum einen damit zusammen, dass man sich für die 10 Tage der Meditation verpflichtet, ein nobles Schweigen einzuhalten (welches neben Sprache auch alle anderen Formen von Kommunikation, wie Blicke und Gestik, einschließt), nicht zu schreiben, zu lesen, das Gelände nicht zu verlassen, kein lebendes Wesen zu töten (klingt leicht, wird bei Stechmücken, die einem den Schlaf rauben, jedoch zum Problem), nicht zu lügen und keinerlei Rauschmittel zu sich zu nehmen (auch Tabak, Alkohol u. Koffein), die gesamte Zeit alleine/in sich gekehrt zu verweilen. Zudem verpflichtet man sich, dem vorgeschriebenen Zeitplan so genau, wie möglich zu folgen und versucht zu verstehen, dass alle diese Einschränkungen/Verpflichtungen optimale Meditationsbedingungen schaffen sollen und nicht zum Vorteil des Lehrers, als Selbstzweck oder im Glauben an bestimmte Traditionen oder organisierte Religionen aufgestellt wurden. Wertgegenstände, Geld, Schreibutensilien, mitgebrachtes Essen, Zigaretten und Co (kurz alles, was man nicht unbedingt braucht, einen jedoch ablenken oder in Versuchung bringen könnte) wird zu Beginn beim Management abgegeben und bei der Ausreise wieder abgeholt. Bezahlen muss man für den Kurs nichts, die Meditationszentren finanzieren sich nur durch Spenden derjenigen, die einen Kurs besuchten und diese Erfahrungen auch anderen ermöglichen wollen. Eine Praxis, die mir suspekt vorkam, kein Wunder. Wird uns nicht schon als Kind beigebracht, dass nichts auf der Welt umsonst ist?


Der Zeitplan:

4:00                           Wecken
4:30 – 6:30                Meditation
6:30 – 8:00                Frühstück, Duschen, Waschen etc.
8:00 – 9:00                Group Sitting
9:00 – 11:00              Meditation
11:00 – 12:00            Mittagessen
12:00 – 13:00            Mittagspause
13:00 – 14:30            Meditation
14:30 – 15:30            Group sitting
15:30 – 17:00            Meditation
17:00 – 18:00            Tee & Snack
18:00 – 19:00            Group sitting
19:00 – 20:30            Diskurs über die Technik
20:30 – 21:00            Meditation
21:30                         Zurückziehen in die eigenen Räumlichkeiten

Der Tag danach
In den ersten 3 Tagen übt man sich in der sogenannten Annapana Meditation, die zur Schärfung des Bewusstseins und zur Beruhigung des Geistes dient. Die 10,5 Stunden Meditation täglich haben es tatsächlich in sich, es ist anstrengender, als man es sich vielleicht vorstellt. Am ersten Abend war ich völlig am Boden, weil es mir einfach nicht gelingen wollte mich länger als 3-4 Atemzüge nur auf das natürliche Atmen zu konzentrieren, ohne es zu beeinflussen oder in Gedanken abzuschweifen (Ihr dürft es gerne einmal selbst versuchen: Gemütlich auf eine freie Stelle am Boden setzen, Augen schließen, nicht mehr bewegen, versuchen den Atem im Bereich der Nase zu spüren und diese Aufmerksamkeit beizubehalten; Stellt euch einen Wecker. Eine halbe Stunde sollte einen ersten Eindruck geben). Man sollte jedoch nicht unterschätzen, wie sich Gedanken und Bewusstsein beruhigen und verändern, wenn man einen längeren Zeitraum keinerlei Input durch Gespräche, Bücher, Radio, Fernsehen oder ähnliches erhält.
Die Schmerzen in meinen Füßen, Knien und im Rücken hatten so am 3. Tag ihren Höhepunkt und machten den Anschein, als ob sie einen Langzeitaufenthalt geplant hatten :). Als wir am 4. Tag die Einweisung in die Vipassana Praxis erhielten, gab es eine weitere Verschärfung:  Für die 3 Stunden Group Sitting sollten wir uns selbst völlige Bewegungslosigkeit auferlegen, was, auf Grund der Schmerzen, die sich nach gut 45 Minuten einstellen, eine Willensprüfung darstellt. Wohingegen das zehntägige Schweigen - zumindest für mich - keinerlei Problem darstellte (Ich bitte darüber nachzudenken, wann Ihr das letzte Mal 10 Tage nicht geredet habt). Auch wenn Cedric und ich es nicht besonders einfach hatten. Wir saßen uns beim Essen gegenüber (die Plätze wurden uns zugewiesen) und unsere Zimmer lagen sich gegenüber. Wenn um halb 5 morgens der Gong zur Morgenmeditation aufrief, zogen wir meist zeitgleich die Vorhänge unserer Räume auf und standen uns direkt gegenüber. Ein Moment Zögern – keinerlei Kommunikation!!  – Augen senken und Richtung Meditationshalle.
Auch wenn die Meditation an sich die ein oder andere beschriebene Herausforderung an uns stellte, so war ich am letzten Tag nicht nur froh es geschafft und durchgehalten zu haben, sondern auf eine mir neue Art ruhig und gelassen. Ich hatte das Gefühl, die 10 Tage haben mir die Chance gegeben, alle angefangenen Gedanken, für deren Vollendung mir bisher immer die Zeit gefehlt hat, abzuschließen und den Kopf wieder frei zu haben.
Und auch wenn mir das Reden nach dem noblen Schweigen anfangs ungewohnt und größtenteils überflüssig vorkam, so war ich doch froh über die Gespräche mit sogenannten alten Schülern, die zuvor mindestens einen anderen Kurs besucht hatten. Ohne die Zerstreuung meiner letzten Zweifel an den Meditationszentren, hätte ich der Technik im Alltag vermutlich keine Chance gegeben. Ich will nicht behaupten, dass ich jeden Morgen und Abend wie empfohlen eine Stunde meditiere. Gelegentlich findet sich jedoch die Zeit und es stellt stets einen guten Start in den Tag, einen guten Abschluss dar. Wem mein Artikel ein bisschen zu theorielastig war oder wer einfach Interesse an mehr Informationen hat, dem sei folgender Erlebnisbericht/Artikel ans Herz gelegt: Meditation: Alles, alles geht vorbei...

Dienstag, 15. Februar 2011

Kurzes Update

Bilder und die Möglichkeit Kommentare zu schreiben für alle!
Genießt Erstere und schreibt fleißig Kommentare und Fragen.

Liebe Grüße, Lucas

Freitag, 14. Januar 2011

Die Arbeit

Guten Tag meine Damen und Herren, dieser Blog freut sich Euch im neuen Jahr begrüßen zu dürfen. Ich hoffe Ihr seid alle gut gestartet und durftet mehr Feuerwerk als wir in Pokhara bewundern. Da Feuerwerkskörper hier verboten sind und bis zum Neujahr in Nepal noch gut 2 Monate ins Land gehen werden, mussten wir leider ein raketenlosen Start … beklagen wäre zu viel  immerhin dürfen wir ja zweimal feiern.
Vielfach wurde ich gebeten, doch bitte endlich mal etwas über meine Arbeit zu schreiben. Jetzt gibt es natürlich das winzige Problem, dass ich eigentlich ohne Genehmigung nichts veröffentlich darf, was dann mit meiner Entsendeorganisation oder dem Partner vor Ort in Verbindung gebracht werden kann. Verrückt, nicht? Es wäre zumindest nicht im Interesse der Organisation, wenn ein Freiwilliger mit seiner vorgeprägten und stark subjektiven Sicht- und Erlebnisweise – und die haben wir alle, dessen sollte man sich stets bewusst sein (und meinen Blog in diesem Sinne lesen natürlich) – etwas veröffentlich, das durch die Medien genutzt werden kann um die Organisation in Verruf zu bringen oder? Wie dem auch sei, die Organisation bei der ich meinen Freiwilligendienst leiste, beschäftigt sich mit Themen der Reproduktiven Medizin, HIV/Aids (und andere sexuell übertragbare Infektionen) versucht damit verbundene Vorurteile und Stigmata abzubauen und setzt sich für sexuelle Selbstbestimmung, gegen ungewollte Schwangerschaften ein und unterstützt marginalisierte und benachteiligte Gruppen. Es handelt sich um Nepals größte und älteste NGO wie mir berichtet wurde. Erst vor einigen Jahren feierte sie ihren 50 Geburtstag.
Leknath, Mohan und Som
Sobakanta in der Schule, Yam und Leknath waren auch mit dabei
Durch Zufall bedingt und den Schnupfen, mit dem ich mich gleich am ersten Tag hier in Tansen rumschlagen musste (wegen dem ich der Arbeit fernblieb, dafür aber ein lustiges Foto produzierte) fiel mein erster Arbeitstag mit dem diesjährigen Geburtstag zusammen, sodass ich gleich am ersten Tag wirklich alle „Mitarbeiter“ des Distriktes Palpa (welcher sich etwa eineinhalb Autostunden in Nord und Südrichtung und deutlich mehr Richtung Osten und Westen erstreckt – auch auf Grund des Zustands der weniger befahrenen Straßen), etwa 40-50 Personen, kennenlernte. Die Anführungszeichen setze ich, weil ich neben der regulären Besetzung der Hauptstelle auch Mitglieder des Komitees (ich finde den Begriff Ehrenamtliche immer ganz passend; mein Gastvater ist auch Mitglied des Komitees), des Youth-Sub-Committee‘s  und die Mitarbeiterinnen der Zweigstellen anwesend waren. Nach einem Vortrag über GBV (Gender Based Violenced) gab es damals eine Vorstellungsrunde, wie ich sie seitdem mehrmals bei Veranstaltungen erleben durfte: jeder steht einzeln auf und stellt sich der versammelten Gruppe vor. So auch ich und habe mich halb Nepali, halb Englisch vorgestellt.
Neben der Hauptstelle in der Distrikthauptstadt Tansen gibt es 18 weitere kleinere Zweigstellen, mit denen ich bisher nur wenig Kontakt hatte, die meines Wissens jedoch auf jeden Fall Beratung (zu Themen wie Familienplanung, Verhütung, Abtreibung, Schwangerschaftsberatung, Kindererziehung, -Hygiene und -Gesundheit, Infektionskrankheiten, wie HIV/Aids, Häuslicher Gewalt usw.) und Verhütungsmitteln anbieten und regelmäßig Veranstaltungen organisieren, zu denen wir dann vorbeischaun ;). Mit „wir“ meinte ich die administrative und Außenabteilung, die neben der Klinik mit Räumen für Untersuchungen, Vasektomie, Abtreibung, Beratung, wartende Patienten und dem Labor Platz in unserem kleinen, angemieteten Gebäude Platz finden.
Die Mitwirkenden des Streetdramas und
... die Zuschauer, größtenteils aus den umliegenden Schulen

Wie bereits erwähnt begleitete ich meinen Chef Mohan den Branchmanager, Leknath den Supervisor und Som den Accountant zu den, von den einzelnen Zweigstellen organisierten Treffen verschiedener Gruppen, zum Beispiel Mitarbeiter in öffentlichen Kliniken, Mütter oder Kontaktpersonen (die wiederum ihrer Gruppe von den Veranstaltungen berichten) wo dann Gespräche und Vorträge über Rechte in Reproduktiver Medizin, Safe Abortion, Genderbased Violence gehalten werden. Natürlich auf Nepali und nicht auf Englisch, was es mir äußerst schwierig macht selbst einen Teil des Vortrags übernehmen – so gut ist mein Nepali leider derzeit noch nicht. Ziel ist und bleibt es dennoch. Besonders freue ich mich jedoch, wenn es mal wieder heißt: School Health Projekt, denn das bedeutet nicht nur Blutgruppenbestimmung und Untersuchungen auf Parasiten, sondern für mich Kontakt mit – lasst mich nachdenken – mittlerweile 400 Schülern, mit denen ich ein paar Worte Nepali plaudern und dann ein paar Tropfen Blut für den Test abnehmen darf. Es ist auch jedes Mal interessant an welch gefühlt abgelegenen Orten riesige Schulen stehen. Grundsätzlich habe ich noch nie so viele Schulen und Universitäten auf einem Ort gesehen, wie in Kathmandu und Tansen steht dem im Verhältnis zu den Einwohnern in nichts nach. Wenn ich mich nicht irre, dann gibt es in Tansen mindestens 4 Universitäten, auch wenn eine davon (das Medical College) sich wie der Name verrät auf Medizin spezialisiert hat. Ich habe jedoch keinerlei Vorstellung von den Studentenzahlen. So zwei Projekte werde ich noch kurz anreißen. Für den Weltaidstag am ersten Dezember führten ich mit den jugendlichen Freiwilligen ein Street Drama im Rahmen einer größeren Veranstaltung in einem entfernteren VDC auf. Die Handlung war selbst geschrieben und die Proben doch äußerst spontan und zeugten von improvisatorischen Können. In der vorletzten Probe (am Morgen vor der Aufführung) wurde nochmal ein Rollentausch vorgenommen, die Generalprobe fand gut eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung statt. Ich – der ich mich an mein Stück niedergeschrieben Text klammerte, hoffte, dass bei meinem Teil der Aufführung textmäßig nicht zu viel improvisiert werden würde. Es lief alles super, alle Freiwilligen und die mitspielenden Kollegen übertrafen meine kühnsten Erwartungen und das Stück kam super beim Publikum an.
Die Aussicht von der Dachterasse des Büros
Das andere Projekt trägt den Namen Condombox und begann mit der vorsichtigen Frage meinerseits, warum es so etwas eigentlich im Kalender unserer Organisation, der bei mir hier im Zimmer hängt, gibt, nicht jedoch bei uns in Tansen. Mein Chef meinte daraufhin, das sei bereits ausprobiert worden, jedoch ohne Erfolg wieder eingestellt worden. Die Box hing damals innerhalb unseres Büros und wenn man es auf öffentlichen Plätzen, z.B. beim Buspark, aufhängen würde, so wären Missbrauch und Vandalismus nicht auszuschließen. Über den Abend dachte ich weiter darüber nach und als ich ihn am nächsten Morgen noch einmal darauf ansprechen und überzeugen wollte, erwiderte er, er habe es sich überlegt und wir würden es doch ausprobieren. Klasse. Mittlerweile hängen die Boxen – immer noch intakt am Buspark und außerhalb unseres Büros, wo sie nach Schließen der Klinik eine Versorgung mit Kondomen möglich machen. Als ich aus meinem Winterurlaub wieder nach Tansen heimkehrte wurde mir sogar ein Zeitungsartikel gezeigt, der von den Boxen berichtet und davon, dass es gewisse Probleme mit der Versorgung gibt, da in der ersten Woche jede Nacht pro Box gut Hundert Kondome entnommen wurden.
So, von Samstag an werde ich einen 10 tägigen Meditationskurs (Vipassana) in Lumbini besuchen. 10 Tage Meditation, schweigend – ich werde berichten.
Grüße, Lucas

Samstag, 25. Dezember 2010

Weihnachtsgrüße

Wie ist eigentlich Weihnachten in Nepal? Für mich: 25 Grad in der Sonne, kein Schnee, Abends jedoch extrem frisch. Gestern habe ich noch auf der Dachterasse des genialen Ded- Guesthouse Kaiserschmarrn gefrühstückt, nachmittags waren wir zu einer kleinen Weihnachtsfeier in einem Waisenheim eingeladen. Heute bin ich mit ein paar anderen Freiwilligen nach Kaule, einem kleinem Dorf in den nordwestlichen Bergen um Kathmandu und dem Projektort zweier von ihnen, gefahren. Der Kamin des kleinen Häuschen behauptet sich gegen die Kälten von draußen, wir haben gemeinsam gekocht und essen Kekse. Der Adventskranz verbreitet weihnachtliche Stimmung, endlich Ferien.
So verbleibe ich mit vielen, weihnachtlichen Grüßen und wünsche einen guten Rutsch ins neue Jahr. Außerdem möchte ich Euch an dieser Stelle für Eure Geduld mit meinem Blog und meinen chronisch verspäteten Emails bedanken.Genießt die hoffentlich entspannende Freizeit.

Lucas

Dienstag, 7. Dezember 2010

Advent in Tansen



Advent, Advent kein Lichtleich brennt? Kann nicht sein, habe ich mir gedacht. Schliesslich soll das ganze Weltwaertsprogramm ja ein kultureller Austausch und keine Einbahnstrasse sein – und was feiern wir schon gross bei uns, ausser Weihnachten, Silvester und den eigenen Geburtstag? Deshalb habe ich am 27. November mit Yam und dem Handwerklich verdammt begabten Som, 2 meiner Kollegen, Adventskränze gebastelt. 
Wer nachschaut, der wird sehen, "oh, der 27. War ja ein Samstag". Macht nix, wir waren trotzem mit der Arbeit unterwegs. Wir organisierten das sogenannte Women Health Camp, das jedes Jahr zweimal in verschiedenen VDC (Village Development Committees, dem kleinsten, strukturellen Verwaltungseinheit Nepals, vergleichbar mit einer Gemeinde) veranstaltet wird. Es wird in Kooperation mit verschiedenen Schulen, die die Raeumlichkeiten zur Verfuegung stellen, und dem jeweiligen FPAN Buero vor Ort, welches die "Werbung" uebernimmt, geplant. Wen es interessiert, dieses Mal ging es nach Rupse. Ich bin also an meinem "freien" Tag frueher als an einem regulaeren Arbeitstag bereits um 8 Uhr beim Office gewesen, nur um festzustellen, dass erst einer meiner Kollegen wartete. Mhpf – Es scheint mir, ich habe noch nicht ganz raus, wann es sich um genaue und wann bloss um ungefaehre Zeiten handelt. Wie dem auch sei, wir haben uns dann einfach nochmal einen Chiya im Stammrestaurant der Arbeit, falls man es Restaurant nennen kann, gegoennt, wo ich dann mal eben gelernt habe, wie man Samosas macht (um sie kurz zu beschreiben: Dreieckige Teigtaschen, die mit Kartoffeln, Erbsen und Zwiebeln gefuellt und anschliessen frittiert werden). Anschliessend waren auch der Jeep und die anderen Kollegen angekommen, es konnte losgehen. In der Schule angekommen wurde alles vorbereitet und schliesslich auf die Patienten gewartet, die neben Gesundheitscheckup auch kostenfreie Medikamente bekamen. Auch wenn gegen 10 Uhr, dem offiziellen Anfang, keine einzige Dame anwesend war, so kamen bis vier Uhr, als wir wieder einpackten, 102 Frauen zwischen 17 und 86 Jahren. Aber zurueck zu den Kraenzen, ihr koennt euch nicht vorstellen, wie schwer es in Tansen ist 4 grosse Kerzen gleicher Farbe zu finden. Man benutzt – fuer Stromausfaelle beispielsweise – duenne weisse Kerzen.
Adventskranz selbstgemacht mit Yam und Som.
Einzelne Strohhalme um ein Buendel der gewuenschten Kranzdicke wickeln,dabei stets den alten mit dem neuen befestigen und einen Kreis formen. Som hatte seinen schon fertig, als ich noch versuchte die ersten Halme um mein Buendel Stroh zu wickeln.

Die Nahtstelle mit ein bisschen Draht fixieren. Den Kranz anschliessend mit gruenem Stoff umwickeln, damit das Stroh nicht durchscheint.
Den Kranz mit Tannengruen, so vorhanden, umhuellen. Dazu stets ein Bueschel auf den Kranz legen und dann mit Draht umwickeln. Das naechste Buendel dann einfach ueber den Draht legen usw.
Den Bluetenschmuck nicht vergessen. Oder eben Walnuesse, Zimtstangen, getrocknete Orangenscheiben, was die Jahreszeit eben grade hergibt.
Auch als Halsschmuck sehr nett anzusehen. Hier zwei Mitglieder des Committees, ich denke, wir wuerden sie Ehrenamtliche nennen. Ihr koennt euch nicht vorstellen, wie ich angesehen wurde, als ich mit 3 dieser Kraenze durch Tansen lief.

Fehlen nur noch die Kerzen, die wir mit Draht am Kranz befestigten. Ach ja, wir haben noch ein bisschen Daka, einen Stoff fuer den Palpa, der Bezirk dessen Zentrum Tansen ist, bekannt wurde, um die Kraenze gebunden. Aus Daka werden Topis, die Muetze, die mein Gastvater auf dem Bild traegt, Westen, Taschen, Krawatten und vieles mehr gefertig.
Fertig!


Freitag, 3. Dezember 2010

Uiuiuiuiiii

Das erste Paket hat Tansen unbeschadet erreicht. Es ueberquerte die Schwelle des Postamtes heimlich, still und leise am 18.11.2010 und war so - sicher im Metallschrank schlummernd - eine Weile vor dem Auspacken meinerseits geschuetzt. Mittlerweile habe ich die netten Herren des Amtes jedoch besucht und den Suessigkeitennachschub mit grosser Dankbarkeit entgegengenommen. Hier das Foto.